Digital Denkmal
zu Ehren des Berner Medizinstudenten David Frankfurter
unserem Inglorious Basterd
Anlässlich seines 40. Todestages am 19. Juli erstellt das Churer Ensemble in Zusammenarbeit mit Maison du Futur ein Digital Denkmal für David Frankfurter.
Dies ist der erste Teil von drei auditiven Denkmälern, mit denen wir an das Attentat des jüdischen Studenten David Frankfurter erinnern, der am 4. Februar 1936 in Davos den NSDAP-Funktionär Wilhelm Gustloff erschoss.
Ein kontroverses Attentat
Der Prozess gegen Frankfurter litt unter enormer Politisierung und das Attentat besitzt bis heute einen kontroversen Stellenwert, weshalb bis dato kein Denkmal für Frankfurter aufgestellt worden ist. So fehlte bisher eine historische Verortung der Ereignisse in Davos.
Davos war in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Hochburg der Nazis. In unserem Spielfilm «Der erste August» reinszenieren wir den Mord an Wilhelm Gustloff, dem Attentäter von Davos. Dieser berief sich in seiner Begründung auf Wilhelm Tell. Wir leben wieder in Zeiten von sich aggressiv ausbreitendem Chauvinismus und gerade Davos sollte als Ort des Widerstands neu gebrandet werden.
Dieses Digital Denkmal soll zugleich an die Gefahr der politischen Fanatisierung und an den Wert des Widerstands gegen den Nationalsozialismus erinnern.
Besuchen Sie das Digital Denkmal ab dem 19. Juli am Blauen Haus in Davos!
Bedienungsanleitung
Um Ihren Startpunkt zu finden, gehen Sie in den Kurpark in Davos, und zwar zu folgenden Koordinaten:
what3words ist eine Weltkarte, bei der jeder Ort überall auf der Welt (in einem Quadrat von drei mal drei Metern) über eine Wortadresse zu finden ist. Hier haben wir den Geopunkt ziele.damit.verfügbar gewählt.
Wenn Sie an diesem Geopunkt sind, starten Sie den Audiotrack, der auf Spotify und SoundCloud zu finden ist:
Credits
Voice: Lara Körte
Mischung und Musik: Airafrique Michael Sauter
Text: Leopold Helbich, Samuel Schwarz
Location Scouting: Jeremy Marugán (schau.film)
Produktionsleitung: Garrick J Lauterbach
Kommunikation: May Drewes
Design Tokens: Johannes Lortz mit Unterstützung durch Werner Neuhaus, inspiriert von Fishel Rabinovic
Die Tokens/Siegel wurden im Kuturbauernhof Wanner 433 erstellt.
Danke an Karen Roth-Krauthammer für die Ratschläge und Verlinkung mit Sabine Bosshart, von deren Standartwerk wir viel lernen konnten.
Dank an Thomas Campolongo, der uns zu der Aktion inspiriert hat, Danke auch an Fishel Rabinovic der uns für das Motiv inspiriert hat.
Danke an Otto und Santina Hirzel für den freundlichen Empfang im Blauen Haus.
Hintergründe
Das «Schweizer Radio und Fernsehen» (SRF) bezeichnete den Kurort als «Nazi-Hochburg in den Schweizer Bergen». Zeitzeugen berichteten, wie in Sanatorien mit Hitlergruss begrüsst wurde und auf Schulen die Flagge mit Hakenkreuz wehte. Einer der prominentesten Nazis in Davos war Wilhelm Gustloff, Landesgruppenleiter der NSDAP, der dafür sorgte, dass möglichst viele seiner in Davos lebenden Landsleute sich zur NSDAP bekannten. Um dem ein Ende zu setzen und der Welt zu zeigen, dass Juden die Diskriminierungen und Schikanen durch das nationalsozialistische Regime vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht kampflos hinnehmen, reiste 1936 ein junger Jude namens David Frankfurter aus Deutschland in die Schweiz. In Davos erschoss er Gustloff in dessen Wohnung und stellte sich sogleich den Bündner Behörden, die ihn noch im selben Jahr zu 18 Jahren Haft und lebenslänglicher Landesverweisung verurteilten.
Keine Gedenktafel für David Frankfurter
Beim Kleinen Landrat Davos stiess das Gesuch auf Ablehnung. Das Attentat und die Reaktionen auf politischer Ebene seien laut Medienberichterstattung „zu komplex, um auf einer Infotafel zusammengefasst zu werden”. Zudem bestehe die „Gefahr”, dass eine Gedenktafel „zu einem Pilgerort für die eine oder andere Gruppierung werden könnte”, so der Kleine Landrat in seiner Antwort. Auf Nachfrage von «tachles», wer denn konkret mit „eine oder andere Gruppierung” gemeint sei, kam keine klare Antwort. Man könne sich ja selbst eine Meinung bilden, vor dem „geschichtlichen Hintergrund”. Wenn also Neonazi-Gruppierungen gemeint sind, die den Ort als Pilgerstätte für den von der NSDAP zum Märtyrer erhobenen Gustloff nutzen würden, weshalb werden sie nicht gleich genannt? Oder hat Davos Angst vor jüdischen „Pilgern”, die einem der Ihren Gedenken wollen, der sich dem Schreckensregime widersetzte? Angesichts der vielen jüdischen Touristen dürfte Davos wohl kaum ein Problem mit weiteren jüdischen oder auch einfach historisch interessierten Besuchern haben – weshalb die vage Formulierung gewählt wurde bleibt also nach wie vor unklar.
Keine Aufarbeitung in der Schule
Für Thomas Campolongo, den Ideengeber, ist die Absage unverständlich: „In meiner Zeit als Gymnasiast habe ich in der SAMD (Schweizerische Alpine Mittelschule Davos, Anm. d. Red.) ein Foto aus dieser dunklen Zeit gesehen, das Schüler und Lehrer auf der Haupttreppe versammelte, alle stolz und freudig den Hitlergruss zeigend. Schlagartig wurde mir bewusst, dass alle diese arm- und beinamputierten Touristen, die in den 1960er- bis 1980er-Jahren zum Davoser Strassenbild gehörten, ehemalige Soldaten der Wehrmacht waren, ob schuldig oder unschuldig. In der Schule erfuhr ich nichts darüber. Auch nicht über die Nazis in Davos. Und David Frankfurter wurde nicht ein einziges Mal im Geschichtsunterricht erwähnt.”
David Frankfurter
David Frankfurter, geboren am 9 Juli 1090 in Daruvar, Österreich-Ungarn, heute Kroatien, kam als junger Mann Anfang der 1930er Jahre aus seinem damals zum Königreich Jugoslawien gehörenden Heimatort zu Verwandten nach Frankfurt am Main, um in Deutschland Medizin zu studieren. Er erlebte dort die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einsetzende massive Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung. Ende 1933 emigrierte er in die Schweiz nach Bern. 1936 beging er in Davos ein tödliches Attentat auf den Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation (AO) in der Schweiz Wilhelm Gustloff. Er wollte damit zeigen, dass Juden sich gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime auflehnten und ein Zeichen des jüdischen Widerstandes gegen die Aktionen der Nationalsozialisten zu setzen. Die Schweiz führte einen Strafprozess gegen David Frankfurter. Viele Schweizer bekundeten Verständnis für Frankfurters Attentat, aber viele waren auch über das Attentat entsetzt. Die Regierung bemühte sich in dem Gerichtsverfahren um die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und diplomatischer Neutralität. Schliesslich wurde der voll geständige und jederzeit kooperative David Frankfurter für den unstrittigen Mord unter großem internationalen Interesse am 14. Dezember 1936 in Chur zu 18 Jahren Haft und anschliessender lebenslanger Landesverweisung verurteilt. Nach Kriegsende wurde Frankfurter am 1. Juni 1945 freigelassen und aus der Schweiz ausgewiesen. Frankfurter wanderte ins britische Mandatsgebiet Palästina nach Tel Aviv aus. In Israel wurde er Beamter im Verteidigungsministerium und später Offizier der israelischen Verteidigungskräfte. Erst nach dem Krieg erfuhr Frankfurter, dass sein Vater nach der deutschen Besetzung Jugoslawiens 1941 in seinem Wohnort von der Gestapo gezielt verhaftet, gefoltert und ermordet worden war. 1969 nahm der Grosse Rat des Kantons Graubünden in Ausübung seines Gnadenrechts die Landesverweisung zurück. David Frankfurter starb am 19. Juli 1982 in Tel Aviv.